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Transparent: Kritisches Denken braucht Zeit und Raum

Nachruf auf Alexander Wagner

14.03.2025

Der Allgemeine Studierenden Ausschuss (AStA) der Goethe-Universität Frankfurt am Main und die Demokratische Linke Liste sind erschüttert über die Nachricht, dass unser ehemaliger Mitstreiter, Freund und Genosse Alexander Wagner viel zu früh von uns gegangen ist.

Allen Angehörigen, Familie, Freund_innen und politischen Weggefährt_innen möchten wir unser tiefes Beileid ausdrücken.

Alex war vom Wintersemester 2001/2002 bis zum Wintersemester 2009/2010 Mitglied der Demokratischen Linken Liste. Diese Zeit an der Universität Frankfurt war geprägt von der Transformation der fordistischen Massenuniversität zur neoliberalen Eliteuniversität. Schon als Erstsemester an der Universität – so berichtet ein ehemaliger Kommilitone – hinterfragte Alex kritisch die Lehrinhalte eines Seminars und versuchte, seine Kritik in einem Referat zu untermauern.

Bereits als Schüler war Alex Landesschulsprecher der Landesschüler_innenvertretung Hessen aktiv und später auch ihr Geschäftsführer. Als Mitglied der Jungdemokraten/Junge Linke (JD/JL) war er ein überzeugter Gegner neoliberaler Reformen und trat für eine radikaldemokratische Universität und Gesellschaft ein.

Alex war Mitglied der Fachschaft Gesellschaftswissenschaften, des Studierendenparlaments, Referent für politische Bildung und Hochschulpolitik sowie Senator der Goethe-Universität. Für ihn war klar, dass eine radikaldemokratische Gesellschaft nur durch bundesweite Vernetzung durchgesetzt werden kann. Er arbeitete daher in verschiedenen Bündnissen und Verbänden mit, darunter Bündnis linker und radikaldemokratischer Hochschulgruppen (LiRa), die Landesastenkonferenz Hessen (LAK Hessen), das Bündnis für Politik und Meinungsfreiheit (BPM), der freie Zusammenschluss der Studierenden (fzs), sowie das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS).

Obwohl Alex in vielen Gremien aktiv war, kannte er deren Grenzen. Nach seinem Verständnis konnten Proteste nur erfolgreich sein, wenn sie von einer breiten Masse getragen wurden. Er besetzte gemeinsam mit vielen Kommiliton_innen während der Proteste gegen Langzeitstudiengebühren und die Entdemokratisierung der Hochschulen im Jahr 2003 das ehemalige Gebäude des Instituts für England- und Amerikastudien im Kettenhofweg 130, aus dem später das Institut für vergleichende Irrelevanz (IVI) wurde. Er unterstützte das IVI immer wieder, als es räumungsbedroht war.

Alex war 2006 an den großen Massenprotesten gegen die Einführung der allgemeinen Studiengebühren in Hessen beteiligt. Durch die Proteste und eine linke Mehrheit im Landesparlament konnten allgemeine Studiengebühren und Langzeitstudiengebühren 2008 wieder abgeschafft werden. Er und viele seiner Mitstreiter_innen haben dafür gesorgt, dass nachfolgende Studierendengenerationen gebührenfrei studieren konnten. Wäre es nach der CDU-geführten Landesregierung unter Roland Koch gegangen, hätten Studierende zwischen 500 und 3.000 Euro zahlen müssen – eine Summe, die viele sich heute nicht mehr leisten könnten.

Alex war nicht der typische Hochschulpolitiker. Er war selbstlos, stärkte und entlastete viele Aktive, war geduldig und einfühlsam. Keine Krawallschachtel, sondern ein ruhiger Mensch, dem es um die Sache und um Argumente ging. Gerade solche feinen Menschen wie Alex gehen in der oft rauen Hochschulpolitik leider häufig unter. Selbst bei politischem Gegner_innen war er beliebt.

Hierzu passt eine Anekdote, die eine ehemalige Mitstreiterin im AStA erzählte: Alex schrieb häufig politische Stellungnahmen für andere AStA-Mitglieder, ohne dafür eine Koautorenschaft zu verlangen.

In der Demokratischen Linken begleitete Alex zum Ende seines Studiums den Umzug vom Campus Bockenheim zum Campus Westend. Er kritisierte die Überwachung durch Kameras, die Politik der "weißen Wand" sowie das Verschwinden selbstverwalteter Räume am Campus. Auch wenn die Massenuniversität das Versprechen einer Öffnung der Hochschulen sowie die Demokratisierung der Universität nur teilweise umsetzen konnte, lehnte Alex die damit verbundene Abkehr von dieser Idee ab. Jegliche neoliberale Transformation hin zu Standesdünkel und Machtzementierung war ihm zuwider.

Auch nach seiner aktiven Zeit hielt er den Kontakt zu seiner Hochschulgruppe und dem AStA und organisierte mit dem DGB Frankfurt viele Veranstaltungen im Studierendenhaus und am Campus.

Alex‘ Arbeit an der Universität könnte man treffend mit einem Zitat von Heinz Steinert beschreiben: „Genau hinsehen, geduldig nachdenken und sich nicht dumm machen lassen.“

Wir sind dankbar, dass wir Alex als Mitstreiter und Genossen an unserer Seite hatten und ihn kennenlernen durften. Er hinterlässt eine große Lücke, wird aber immer einen Platz in unseren Herzen haben. Alexander ist am 19.02.2025 gestorben.

Für die Demokratische Linke und den AStA des Allgemeinen Studierendenausschusses der Goethe-Universität Frankfurt.